Vor knapp zweieinhalb Jahren habe ich - nach einer Auseinandersetzung - den Kontakt zu meinem Vater abgebrochen. Sowas fällt mir nicht leicht, aber mittlerweile bin ich reif genug um einfach der Vernunft zu folgen: das hätte mich wieder völlig kaputt gemacht und so mußte eine Kontaktsperre her.
Wie soll ich sagen? Ich habe es so oft schon versucht mit ihm! So viele Jahre hatte ich unendliche Geduld, habe immer gedacht "ach was soll's, er ist ja mein Vater" und bin dabei mehr als oft über meinen eigenen Schatten gesprungen. Bin immer wieder auf's Neue auf ihn eingegangen, weil ich einfach nur Ruhe und
Frieden wollte. Bei meiner ersten Therapie - eine Traumtherapie - vor zwanzig Jahren sagte der Arzt treffend: "Sie sind das Kätzchen im Körbchen. Hören Sie auf, das Kätzchen im Körbchen zu sein!" Ja, so habe ich mich immer gefühlt meinem Vater gegenüber, denn viele Jahre hatten wir ja nur uns. Immer wieder bin ich in dieses Schema zurück gefallen, wenn ich in seiner Nähe war. Aber mein Vater ist zu Nähe nicht fähig, zu Zärtlichkeit und Zuneigung, und mir ging es jedesmal hinterher schlecht, wenn wir uns gesehen haben. Alles drehte sich immer nur um ihn: wie es ihm geht, was er macht, was er plant, was er machen will, was in ihm vorgeht... es spielte nie eine Rolle, was mir alles geschehen war, wie schlecht es mir oft ging oder wie verzweifelt ich war. Ganz gleich, wie hart das Schicksal in meinem Leben zugeschlagen hatte: mein Vater hat immer gelacht und gesagt: "Ach, das wird schon wieder..." Rasch mal an die Schulter gedrückt und dann hat er sich aus dem Staub gemacht, immer dann, wenn ich ihn am meisten gebraucht hätte. Aber in Zeiten, in denen es ihm mal schlecht ging, da mußte ich Tag und Nacht auf Abruf für ihn da sein...
Ich mache ihm keinen Vorwurf. Er ist, wie er ist. Aber leider ist er auch ein Mensch, der sich beharrlich weigert in sich zu gehen, dazuzulernen und eine Lehre aus etwas zu ziehen. Er verdreht die Tatsachen, biegt sich die Wahrheit zurecht wie es ihm gefällt und spinnt sich seine "Erinnerungen" zusammen, wie er möchte. Irgendwann war bei mir der Punkt erreicht, da hatte ich einfach keine Lust mehr, keinen Nerv, diesem selbsterdachten "heile Welt"-Gerede noch zuzustimmen. Ich meine, ich erinnere mich doch auch an vieles, und das meiste war eben nicht so rosig oder so wunderbar und schön und laberrababer toll, wie er es hinstellt. Vieles war nämlich das genaue Gegenteil von dem, wie er es gerne in seiner Erinnerung hätte: ätzend! Wir hatten kein leichtes Leben zusammen, er müßte das doch am besten wissen. Er erdenkt sich ein Wolkenkuckucksheim, das es so nie gegeben hat... und ich habe dort nicht gelebt. Da war kein Schloss und keine Bediensteten, die einem das Bein aus der Sonne gelegt haben.... um es mal übertrieben auszudrücken.
Vor knapp zehn Jahren schon hatte ich ihm gesagt, er soll mich nicht anrufen, wenn er einen sitzen hat. Er verträgt keinen Alkohol, und nach ein bis zwei kleinen Glas Bier ist er total betüddelt... das mag ja nicht so schlimm sein, ich sage nichts dagegen, das er mal was trinkt. Aber diese unleidliche Angewohnheit, immer nur dann "seine Lieben" anzurufen, wenn er einen im Tee hat... das kann ich nicht leiden. Und genau solch ein Anruf kam vor einigen Tagen, nachdem ich wer weiß wie lange nichts von ihm gehört habe --- abgesehen von der echt "herzigen" Geburtstagskarte, in der nichts weiter stand als Vorwürfe. Er sprach auf den Anrufbeantworter - ich bin nicht rangegangen. Habe direkt gehört, das er einen getrunken hatte. Laberte irgendwas von "ach komm schon..." und "wir sind doch eine Familie..." und so einen Stuss. Das kommt mir zu den Ohren raus, ich kenne diese Sprüche seit über dreißig Jahren...
Ich bin nicht verbittert ihm gegenüber. Nein, ich vermisse ihn manchmal sehr. Er war ja kein schlechter Vater, auf keinen Fall. Und ich liebe ihn. Aber es ist immer die selbe Leier... und es hat mich kaputt gemacht. Bis ich gelernt habe, nicht mehr das Kätzchen im Körbchen zu sein, sondern ein erwachsener Mensch.
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