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Samstag, 22. Oktober 2011

- Das unheimliche Quietschen -

Leise prasselte der Regen ans Fenster. Das metallische Ploppen, wenn die Tropfen auf das Fensterbrett platschten, störte ihn schon lange nicht mehr. Hier regnete es so oft, das er es als beruhigend empfand, wenn es plätscherte. Fest in seine Decke gemummelt lag er im Bett und atmete ruhig. Sein Schlaf war tief und er träumte von blühenden Gärten und Früchte tragenden Bäumen.
Doch plötzlich schreckte er auf. Er hatte etwas vernommen - was nur war es gewesen? Einen Moment war er verwirrt, wußte nicht wo er war und was geschehen war. Er glaubte, es sei etwas in seinem Traum gewesen,
das ihn hatte hochschrecken lassen. Doch dann vernahm er es wieder. Ein unheimliches Quietschen, das vom Speicher herunterdrang. Doch das Quietschen allein war es nicht, das ihn hatte auffahren lassen. Nein, es waren Schritte! Deutlich konnte er hören, das jemand auf dem Speicher ging. Ein Schuh allerings quietschte. 
Mit einem Schlag war er hellwach. Was soll ich nur tun? durchfuhr es ihn, und sein Körper begann zu beben vor Schreck. Es war jemand im Haus, jemand Fremdes. Ein Einbrecher, vielleicht sogar ein Mörder! Vermutlich war er durch die Hintertür zur Küche hineingekommen. Oder durch das leicht geöffnete Fenster im Badezimmer... sicher, er hatte ihn nicht hören können, seine Schritte, denn im Haus war überall dicker Teppichboden verlegt - nur auf dem Speicher nicht. 


Starr vor Schreck saß er eine Weile im Bett und lauschte auf die Schritte. Der Schuft schien etwas zu suchen, denn er bewegte sich nicht vom Boden fort. Nahm nicht den Weg hinunter ins Haus... wieso nur? Was suchte er da oben? fragte er sich. Er grübelte eine Weile angestrengt - es fiel ihm nicht leicht, voller Angst wie er war. Nun, es mußte etwas Wichtiges, etwas überaus Entscheidendes sein, denn sonst wäre der Kerl nicht des nachts in sein Haus eingebrochen und würde danach suchen. 
Nach einer ganzen Weile, in der das Quietschen der Schuhe mörderisch in seinem Hirn zu pochen schien, stand er auf. In seinem Kopf sah er einen großen, schweren Mann - das mußte er sein, denn die Schritte waren sehr laut (oder kam ihm das nur so vor, weil er voller Furcht war?) - der ein Messer in der Gürtelschlaufe stecken hatte. Einen großen, einen groben Kerl mit einer Narbe im Gesicht. Vermutlich, so dachte er sich nun, suchte er nach den alten Alben, die seine Großmutter angelegt hatte. Sie hatte Zeitungsausschnitte gesammelt, über alle möglichen Ereignisse: Geburten, Einweihungen von städtischen Gebäuden wie der Bibliothek, Morden, Entführungen, Vermißtenanzeigen, Jahresfeiern... alles was in der kleinen, überschaubaren Stadt so losgewesen war zu ihren Lebzeiten. Vielleicht war dort etwas dabei, das der Einbrecher benötigte, etwas, das ihn enttarnte. So mußte es sein!


Nachdem er sich aus seiner Starre gelöst hatte, schlich er in die Küche. Er achtete penibel darauf, das er keine Geräusche machte. Da er sein Leben lang hier gewohnt und sich nichts verändert hatte - nie waren die alten, schweren Möbel umgestellt oder erneuert worden - kannte er die Räumlichkeiten im wahrsten Sinne des Wortes im Schlaf. Leise zog er die Besteckschublade auf und griff nach - einer Schere. Eine Schere? Nein, er brauchte ein Messer. Oder ein Beil. Er griff nach dem Fleischklopfer und schlich Richtung Treppe, die hinauf zum Speicher führte. Leise, ganz leise. Seine Waffe hatte er fest umklammert, so fest, das seine Handknöchel weiß waren. 
Die Angst pochte in seinem Schädel, als er vorsichtig und bedacht die Treppe emporstieg. Kalter Schweiß hatte sich auf seiner Stirn gebildet, und er zitterte am ganzen Leib. Sein Atem ging schnell und laut, doch er bemerkte es nicht, so sehr hatte die Angst ihn im Griff. Als er den Dachboden betrat klatschte er mit einem heftigen Schlag auf den Lichtschalter. Er wollte den Überraschungsmoment nutzen, den Einbrecher erschrecken. 


Das Licht war grell und weiß und kam von einer kleinen Glühbirne, die nackt unter der Decke baumelte. Ihm stockte der Atem, als er sich umsah. Es war niemand da! Eine Weile blieb ihm der Atem stehen, doch schließlich schnappte er nach Luft. Er sah sich einige Male um - der Speicher war nicht sehr groß und gut zu überblicken - doch hier war niemand! Und dann hörte er es wieder: dieses unheimliche Quietschen! 
Es brauchte eine Weile, in der er sich wieder erholen konnte, und dann sah er, woher die vermeintlichen Schritte rührten: ein Schuh war eingeklemmt unter dem alten Schaukelstuhl seiner Großmutter, der langsam auf und ab wippte. Als er den Schuh unter dem Stuhl wegzog und hineinfaßte, entdeckte er eine kleine Quietschente, auf die der Stuhl immerzu aufgeschlagen war. Das erklärte das Quietschen...
Er faßte sich an den Kopf. Oh Mann! dachte er, und dann mußte er lachen! Das Lachen durchbrach die Angst, bahnte sich seinen Weg frei aus seiner zugeschnürten Kehle. Er nahm die Ente und ging zurück in sein Zimmer.
Was für ein unheimliches Quietschen, dachte er immer wieder, vor Lachen geschüttelt.


Und wärend er in einen tiefen, beruhigenden Schlaf sank, spähte hinter einem Turm von Kisten ein Mann hervor, mit einer langen Narbe im Gesicht und einem Messer in seiner Gürtelschlaufe...


- Ende -


© 2011 by Sodapop Shadow

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