Immer, wenn ich meinen Ring ansehe, denke ich an ihn: Jim Morrison. Das geschieht recht häufig, denn meinen Ring lege ich nie ab. Seit Jahren schon trage ich ihn am Finger - der Storyteller-Ring, den ich zuvor besaß, ist auf mysteriöse Weise einfach verschwunden. Vermutlich ein Zeichen. Ich habe den "Nachfolger" bewußt ausgewählt - es war so, als hätte er mich gefunden. Die kleine, türkisfarbene Eidechse, Kreislauf des Lebens, begleitet mich wohin ich auch gehe (und auch nicht gehe ;) ). Ich habe ihn genommen in Gedenken an Jim Morrison, den "Lizard King".
Meine erste bewußte Bekanntschaft mit dem Sänger der 'Doors' machte ich so um 1989, und zwar auf dem Soundtrack zu "Apocalyse Now". Und im gleichen Jahr begegnete ich seiner Musik auf dem Soundtrack zu
"Platoon". Ich wurde mitgerissen und kaufte mir innerhalb weniger Monate alle verfügbaren Alben. Aber das reichte mir nicht, zu groß war die Neugier auf den Menschen, der sich hinter der Musik verbarg. Also holte ich mir die Biografie "Keiner kommt hier lebend raus" von Daniel Sugarman & Jerry Hopkins. Dieses Buch wurde wie eine Bibel für mich. Ich las es mehrere Male - und verschlang zeitgleich die Biografie über Morrison, die von John Densmore verfaßt worden war. Aber auch das reichte mir nicht, ich wollte diesem Menschen noch näher sein. Letztendlich habe ich alle Gedichtbände von ihm gekauft. Und natürlich diverse T-Shirts. Und alle Musikvideos, die ich habe finden können. Seine Gedichte gingen mir nahe. Ich erkannte da einen Menschen, der so sensibel und weltkrank war, wie ich mich seit jeher fühlte. Sicher, ich war noch jung, nicht mal zwanzig Jahre.
Ich dachte damals, es geht irgendwann vorbei. Eines Tages würde mir Jim Morrison so egal sein, wie all die Idole, die ich als Jugendliche mal hatte. Aber ich habe mich getäuscht. Ich bin kein Fan. Jim Morrison ist wie ein Bruder, den ich nie hatte, den ich nie kannte.
Der reißerische Film von Oliver Stone, zwar brilliant wegen der Musik, der tollen Bilder und der phänomenalen Darstellung von Val Kilmer (ja, den mag ich sowieso), aber ansonsten zeigt er diesen zarten Poeten, diesen Schabernack treibenden, humorvollen und melancholischen Mann nur von einer Seite: als alkoholbesessenes, exzessiv drogenabhängiges A****l****. Und das war er nicht. Dazu muß ich ihn nicht persönlich gekannt haben. Das fühlt man, wenn man in seine Gedichte abtaucht. Ihm ist mit "The Doors" eine Musik gelungen, wie sie eigentlich sein sollte: vertonte Gedichte. Das ist eine Kunst. Kein sinnloser Singsang alá "Text vergessen scheißegal, lalalalalala" oder "Reim dich oder ich fress dich". Morrisons Gedichte gehen in eine Tiefe, die nur wenige kennen. Sie berühren einen so tief innen drin, das man überrascht ist, das man überhaupt so eine Tiefe besitzt. Sie gehen in die Seele.
Ich denke oft daran, was wohl noch aus ihm geworden wäre. Ich trauere ihm nicht nach. Er wird seinen Frieden gefunden haben. Entgegen der Theorie, er könnte irgendwo in Mexico noch leben und sich einen Ast lachen, weil er mit einem großen Knall abgetreten ist, glaube ich, das er einfach betrunken in der Wanne eingeschlafen ist - weil er nicht mehr leben wollte. Ich glaube nicht, das es direkter Selbstmord war. Aber er wollte es so. Er wollte der Welt die Augen öffnen und hat aufgegeben, als er sah, das die Gesellschaft zu oberflächlich ist. Das glaube ich. Daran ist so ziemlich gar nichts mystisch. Er ist eben einfach gestorben. Vielleicht hat er noch was schönes geträumt, das wünsche ich ihm.
Ich kann nicht sagen, das mir Jim Morrison fehlt. Mir fehlen seine Gedichte. Ich wünschte, er hätte noch einige schreiben können, es wäre interessant zu wissen, was er nun denken würde, zur heutigen Zeit. Und doch bin ich froh, das ich nur zum Bücherregal gehen muß und jederzeit wieder Jim nahe sein kann, wenn ich in seine Gedichte abtauche.
Ein Bild von seinem Grab, das ich 1993 gemacht habe. Das war auch das vorletzte Mal, das ich an seinem Grab war. Ich werde auch nicht mehr hingehen. Ich besuche meine eigene Omi nicht - warum Morrison? Was bringt es? Ich glaube, das die Seele nach dem Tod weiterlebt, das im Grab sind nur Gebeine, die mit der Zeit zu Erde werden. Knochen besuche ich nicht. Der Mensch, seine Seele, ist immer allgegenwärtig.
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