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Sonntag, 8. September 2013

ab ins Krankhaus - Teil lll: der Tag der OP

Wir kamen gegen zwanzig nach acht im Krankenhaus an. Die Station, auf die ich mich umgehend begeben sollte, konnte selbst ich mir in dem katakombischen Wirrwarr der Gänge dieses Hospitals merken: ab in den Aufzug im Hauptgebäude (wie sie hier zu sagen pflegten), hoch in den 6. Stock, zur Anmeldung, da. Die schwäbische Stationsmutter erwartete mich bereits, schon wieder mit diesem warmen Lächeln auf den Lippen, der strahlenden Freundlichkeit in den Augen und einem rundum entspannten Gesichtsausdruck. Sie sagte einem von den beiden am Tresen lehnenden Pflegern, wer ich bin, wies mir ein Zimmer zu, und der Pfleger begleitete uns. Wortkarg war er, und sah gar nicht so freundlich aus, wie ich es gerne gehabt hätte. Er überreichte mir mit einer eher zackigen, militärischen Geste die Thrombose-Strümpfe, einen schicken Kittel, den man hinten zubinden kann, und ein Netz-Dingens, das er als Unterhose bezeichnete:

"Ich bin Ricardo*. Bis halb zehn bitte umziehen."
Damit war er weg. Und ich saß da jetzt auf dem Bett rum. Ralfi, Spielkind wie er ja ist (typisch Mann eben), drückte erstmal auf die Knöpfe der Fernbedienung für's Bett. Eine Dame befand sich auf dem Zimmer, die sich namentlich vorstellte und uns erklärte, wie die Fernbedienung funktionierte - die für's Bett und auch die für den Rest des Zimmers: TV, Licht, Telefon etc. Als sie sagte: "Ich heiße Sowieso. Will mich nur mal vorstellen, wir werden ja jetzt wohl die nächsten Tage gemeinsam hier verbringen", wurde mir schwindelig, nur ein bißchen zwar, aber genug, das mir flau im Magen wurde. 'Nächste Tage' - nee, so lang wollte ich dann doch net bleiben!
Ralfi ging zwischendurch mal eine rauchen (während mein Hirn nur schrie: "ich will hier raus!"), und ich saß auf dem Bett rum. Ich quälte mich immer mal wieder in die sexy Thrombose-Strümpfe, die viel zu eng waren. Ja ja, ich höre euch schon sagen: "die müssen eng sein!" Sicher. Aber net soo eng, Leuts! Ich bekam die Teile kaum über meine Knöchel, die bei der plötzlich aufkommenden Sommerhitze an diesem Tag wieder anschwollen. Meine Beine schliefen ein, nur wegen dieser Strümpfe, eine Größe größer wäre also sichtlich besser gewesen um einen Venenstau zu verhindern. Naja, wenn man net alles selber macht...

Nach einer knappen Stunde schickte ich Ralfi heim. Was sollte er hier warten? Starttermin für die Operation war an sich halb elf/elf Uhr, doch erst gegen zwölf kam eine Schwester rein, stellte ein fingerhutähnliches Plastikgefäß auf den Nachttisch, gab mir eine Tablette und sagte: "die ist zur Beruhigung, gleich geht's los". Und das mit einem freudestrahlenden Grinsen auf dem Gesicht, das ich auch bei ihr dachte, wir müßten uns schon ewig kennen, so vertraut wie sie mit mir sprach.
Keine Viertelstunde später kam Ricardo ins Zimmer (der supersympathische Pfleger, und diesmal meine ich es nicht so, wie ich es sage) und fragte - mit einem an Abscheu grenzenden Gesichtsausdruck: "Schon umgezogen?"
Er beäugte mich, während ich nur stumm nickte. "In den letzten Stunden was getrunken?" fügte er dann hinzu, ablehnend und mit einem Unterton, als traue er mir nur das Schlechteste zu.
"Ja," begann ich, und seine Hüfte knickte ein wenig ein, als er die nach außen gedrehte Hand mit einer fast wütenden Geste hineinstemmen wollte. "Eben grade, um die Beruhigungstablette runterzuschlucken," fügte ich schnell hinzu.
"Ach so, das war wann?"
"So vor zehn, fünfzehn Minuten," piepste ich, klein wie eine Maus unter seinem mititärischen Drill, völlig zusammengesackt auf dem Bett, die thrombose-strumpfenen Beine verlegen hin- und herbaumelnd.
"Dann geht's jetzt runter," sagte er streng, und meine Füße wollten ganz mechanisch in die blau-rosa Gummischluppen (meine Lieblingsschluppen, die ich fast immerzu trage) flüchten, als er mich mit hochgezogener Augenbraue zur Raison rief: "wo wollen wir denn hin?"
Ich dachte, unermüdlich naiv wie ich bin, zudem auch nicht geübt im gängigen OP-Alltag eines Krankenhauses (ich hörte Ricardo schon im Geiste sagen: "das hätten Sie doch wissen müssen!"), das sein "es geht jetzt runter" im wortwörtlichen Sinne mit Gehen zu tun hätte, und wollte treudoof hinter ihm herlatschen. Doch stattdessen bedeutete er mir - wieder mit dieser Strenge in seiner Gestik - das ich mich auf's Bett legen solle. Er schob mich also den Gang lang, ab in den Aufzug mit der, und dann ging es hinab. Grelles Licht über mir, unnatürlich hell, Hektik um mich herum, ich wurde hier lang geschoben, wir bogen ab, dann noch da lang, dann hier rum und dann dort hinein.

Eine bemundschutze Frau kam auf mich zu, kräftig und mollig, mit einem warmen Blick, grinste unter dem Mundschutz - dachte ich jedenfalls erkennen zu können - und sagte beruhigend:
"Bald geht's los, einen Moment noch, nicht weglaufen!" und lachte zart wie ein Vögelein. Unsicher wie ich war, lachte ich auch ein wenig mit, versuchte an gar nichts zu denken (außer an den Tobi und sein Lied, das mir immer wieder in den Sinn kam, und natürlich mit tiefer Liebe an Ralfi, den ich doch hoffte noch an diesem Tage wiedersehen zu können), und ließ die Zeit verstreichen, während ich verstohlen die Aktivitäten in Richtung der OPs beobachtete.
 Wie aus dem Nichts stand aufeinmal der Chirurg vor mir, bei dem ich zum Vorgespräch geladen war, und der sich mit einer zwar sympathischen, fast großväterlichen Tonlage durch seine selbstbeweihräuchernden Worte (nämlich das er der Beste auf dem Gebiet sei und ich bei ihm in den absolut besten Händen sei, blubberbla et cetera) dann gleichermaßen beliebt wie unbeliebt bei mir gemacht hatte. Er strahlte mich an und sagte:
"Na, hallo Frau F.-F.! Gleich geht's los, das wird ganz easy!" sprach's, checkte mein Krankenblatt, und verschwand lächelnd auf seiner großväterlichen Wolke wieder ins Nichts, aus dem er aufgetaucht war.

Endlich dann kam eine andere mit Mundschutz vermummte Schwester, die sich mir als Narkoseärztin vorstellte (und zu meiner Verwunderung eine völlig andere war als die, die ich bei der Voruntersuchung besucht hatte), und mir nochmals einige Fragen stellte. Ich antwortete wahrheitsgemäß (nicht allein weil meine Angst vor dieser einen Vollnarkose mich einfach nicht mehr aus ihrem klammen Griff lassen wollte, ganz davon ab das ich sowieso ein kleiner Erbsenzähler bin), und dachte die ganze Zeit nur: "hau mir endlich den Hammer über den Kopp, ich halt es net mehr aus!"
Doch da kam natürlich kein Hammer, das könnt ihr euch denken, liebe Leute, sondern da kam plötzlich und völlig aus dem Off - noch während mir die Elektroden, die einer der Narkosearzt-Helfer (und so hatte sich der junge Mann mir auch vorgestellt) mir auf den Rücken gebabbt hatte, von einem anderen Narkosearzt-Helfer vorne auf die Brust geklatscht wurden - eine Atemmaske! Eine Atemmaske... da ging sogar meiner geistigen Stimme, die mich den ganzen Morgen schon vollgesülzt hatte, die Spucke aus, sie wurde leiser und ich dachte an Homer Simpsons Affen, die bei ihm anstelle eines Hirnes sitzen und sich gegenseitig lausen. "Ich muss weg!" schrie es in mir, als der Sauerstoff in meine Nase glitt und die Ärztin sagte: "bleiben Sie ganz ruhig, atmen sie ruhig weiter, schön atmen".
Da gab es kein Halten mehr! Ich zuckte und bebte am ganzen Körper, ich dachte, gleich falle ich um (hätte ich nicht sowieso schon gelegen). Ich versuchte zu sprechen und krächzte: "ich muß nur ganz kurz nochmal..." und die Panik hatte mein Herz ergriffen. "Was ist mit Ihnen?" fragte die Ärztin in ihrem routiniert ruhigen Tonfall, allerdings mit ein klein wenig Sorge in der Stimme, was wiederum mir ein beruhigendes Gefühl gab, das es sich tatsächlich um Menschen und nicht um einstudierte Maschinen handelte. "Ich muß nur noch einmal kurz atmen, ich glaube, ich habe eine Panikattacke," sagte ich, und mein Herz schlug rasend schnell, was sich auf dem Monitor dann so anhörte: "piep piep piep piep piep" und zu einem "pieppieppieppiep" steigerte. Sanft drückte der zweite Narkosearzt-Helfer meine Hand und lächelte unter dem Mundschutz. Die Narkoseärztin selber strich mir beruhigend über die Wange und den Schopf.
"Atmen Sie ganz ruhig, das ist nur Sauerstoff, der versorgt Sie während der OP mit Luft, damit Sie atmen können."
Angesichts dieser Worte fühlte ich mich zu einem kleinen Kind geschrumpft, mutiert, zurückentwickelt. Brav blinzelte ich sie an und versuchte ein leichtes Nicken, während die Atemmaske erneut in Richtung meines Gesichtes kam.
"Ich halte die Maske jetzt nur hier ein wenig an Ihr Gesicht dran, und Sie atmen ganz ruhig weiter. So ist schön!"
Und dann kam der Holzhammer, ich war weg.

Wie das wohl weitergeht? ;) Erfahrt ihr im nächsten Teil! Also dran bleiben, ich freu mich auf euch!

Bis dahin also, und immer schön weiteratmen! :O)



*Name geändert, der Pfleger hieß net Ricardo, zwar ähnlich, aber ich will ja niemanden bloßstellen

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