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Mittwoch, 14. März 2012

Die lieben Eltern

Ich kann nicht loslassen, ich kann die Gedanken nicht einfach in eine Schublade stecken und abhaken. Es geht nicht, ich habe es versucht, es klappt einfach nicht. Also stelle ich mich - mal wieder - den vielen Gedanken und Gefühlen, die mich immerzu bewegen.

Ich bin ohne meine Mutter großgeworden - mein Vater hätte alles für mich getan. Er war immer auf mein Wohlergehen bedacht, mir hat es an nichts gemangelt (außer an körperlicher Nähe), ich hatte immer ein Dach
über dem Kopf, Spielsachen und Bücher ohne Ende, Klamotten... Doch nun, als Erwachsene, da denke ich oft an all die vielen Fehler, die er begangen hat. Weniger in der Zeit, als ich ein Kind war. Mehr in der Zeit, als ich schon erwachsen wurde. Dieses ständige Verdrängen und Verdrehen der Wahrheit, das ewige Flüchten vor der Realität und einer klärenden Aussprache, all die unendlich oft gehörten Sprüche wie "damit will ich nichts zu tun haben" oder "das stimmt doch gar nicht"... All das Unausgesprochene, das zwischen-den-Zeilen-Gesagte, all die leeren Phrasen und Ausreden. Wenn mein Vater eines konnte, dann flüchten - und meistens in sein Unglück geradewegs hinein. So war es früher, und so ist es auch heute noch. Er hat sich nicht geändert - und das muss er auch nicht. Aber dazulernen hätte er können in seinem Leben, doch auch das hat er nicht.
Oft kam es zu einem Bruch, der länger als ein Jahr eine selbstauferlegte Kontaktsperre für mich bedeutet hat. Ich wollte nicht mehr, ich konnte nicht mehr, und am Ende bin ich immer wieder auf ihn zugegangen. Das anfängliche Glück, das ich empfand, weil ich einfach wieder in seiner Nähe sein konnte, schlug meistens schnell wieder in die übliche Genervtheit und das Unverständnis um. Ich habe immer versucht, nicht auszuflippen, ruhig zu bleiben, sachlich und leise. Doch es hat nie lange geklappt, und meine Emotionen sind durchgebrochen. Ich habe oft versucht, ihm die Wahrheit zu schildern und ihn zu fragen, warum er mir immer ausweicht bei relevanten Themen, bei Themen, die meine Kindheit, meine Vergangenheit, mein Leben betreffen. Warum er nie zugehört, nein, sich die Ohren zugehalten hat, anfing zu summen, wenn ich ihm früher erzählt habe, wie schlecht es mir ging, wie ich behandelt wurde von meinem Partner... Bei solchen Fragen rannte er immer aus dem Raum, hatte plötzlich in der Küche oder sonstwo zu tun, klapperte mit dem Geschirr und stritt lautstark ab, das er alles leugnen würde... wenn es nicht so weh täte, ich würde lachen. Paradox? Ja, ganz gewiss. So benahm er sich vor 20 Jahren, und ebenso verhält er sich heute noch. Oberflächlichkeit ist sein Ding, das ist seine Welt, bloß nichts von Problemen oder Sorgen hören wollen... und dabei hat er sich sein Leben lang immer genau das mit seinem Verhalten eingehandelt.

Meine Mutter traf ich, als ich ungefähr zwanzig Lenze zählte - zu dem Zeitpunkt hatten wir uns 15 Jahre nicht mehr gesehen. Womöglich ein wenig länger. Eine ehrliche, aufrichtige Persönlichkeit zeichnet diese Frau aus, und ich liebte sie vom ersten Moment an von ganzem Herzen. Doch von Gram zerfressen saß diese zierliche Frau vor mir, geißelte sich selber mit einem Mann an der Seite, der all ihre Mühe nicht ein Mal mit einem freundlichen Wort zu würdigen wußte. Meine Mutter sagte immer, das sei ihre Strafe, mit diesem Mann zusammen sein zu müssen, weil sie ihre beiden ersten Töchter bei den Vätern gelassen hatte. Als ich das damals erfuhr - ich hörte davon zum ersten Mal und wußte bis dahin gar nicht, das ich noch eine ältere Halbschwester hatte - war ich wie vom Donner gerührt, und doch tat ich so, als wäre das alles nicht schlimm. Wir näherten uns schnell an, und ich besuchte sie 2-3 mal im Jahr (sie wohnt in einer anderen Stadt ca. 220 km entfernt).
Viele Jahre schrieben wir uns regelmäßig und oft, doch das ließ irgendwann nach. Meine Lebensumstände brachten das eben so mit sich. Doch dann gab es ja noch das Telefon, und eine ganze Zeitlang (über einen Zeitraum von ungefähr 3 Jahren) telefonierten wir mindestens ein Mal, manchmal aber auch 3 mal die Woche. Dann war irgendwann eine ganze Weile kein Kontakt zwischen uns. Bei mir stand viel an, meine Nerven lagen blank, mir ging es körperlich wie seelisch sehr, sehr schlecht - in dieser Zeit starb der Mann meiner Mutter, kurz danach auch ihr Hund, und sie suchte (wie sie es immer tat) Zuflucht bei meiner jüngeren Schwester, mit der sie ein besonderes Verhältnis verbindet. Doch nach gut zwei Jahren, als bei mir die Sonne wieder schien und ich endlich die Möglichkeit hatte, rief ich sie sofort an - und alles schien beim Alten. Es tat so gut, wieder regelmäßig mit ihr zu sprechen. Leider hielt die Freude nicht lange, denn von Gespräch zu Gespräch kamen mehr und mehr Vorwürfe durch. Ihrerseits. Sie sagte mir, ich sei an meiner Lage selber schuld, ich ergebe mich, ich mache nichts, und ich hätte ihr zu allem Übel dann auch zu Weihnachten keine Karte geschrieben.
Und so sitze ich da mit all den Gefühlen und fühle mich verraten. Die Frau, die mich als kleines Kind bei meinem Vater ließ und nie versuchte, Kontakt herzustellen. Die Frau, die in ihrem ersten Brief an mich (kurz bevor wir uns das erste Mal wiedersahen nach dieser langen, langen Zeit) den Vorwurf äußerte, das ich nie versucht habe, sie ausfindig zu machen. Die Frau, die ich so liebte, warf mir vor, ich habe keine Karte geschrieben - eine Banalität, wie sie kleiner nicht sein könnte, denn ich schreibe nie jedes Jahr zu Weihnachten oder zum Geburtstag oder einem sonstigen Anlass Karten. Die Frau, der ich nie einen Vorwurf gemacht habe, das sie mich "allein" gelassen haben könnte, weil sie mich nicht geliebt hatte, sondern nur meine kleine Schwester...

So drehen sich seit Monaten die Gedanken in meinem Kopf. Manchmal bin ich kurz davor, einen Brief an meine Eltern zu schreiben. Einen Brief, in dem all das steht, das mir im Herzen vorgeht, in meinem Kopf kreist und das mir auf der Seele brennt. Diesen Brief hätte ich wohl schon längst geschrieben, wenn ich nicht eines von beiden mitbekommen hätte: meinen Sturkopf. Ich sehe nicht ein, das wieder ich den ersten Schritt machen soll. Ich will nicht mehr, denn meine Kraft reicht nicht aus. Nicht mehr, schon lange nicht mehr. Und doch denke ich oft daran, das die Zeit nicht stehen bleibt, und meine Eltern werden nicht jünger. Ich möchte das geklärt haben, ehe es zu spät ist... das würde ich mir nie verzeihen, ihnen nicht noch ein Mal sagen zu können, das bei all dem Mist, der passiert ist, ich sie doch immer noch liebe...

4 Kommentare:

  1. Flucht vermutlich, weil er selbst Probleme hatte/hat. Viele Männer haben ein Fluchtverhalten, weil sie nicht gelernt haben, sich mit Problemen auseinanderzusetzen, die sich nicht technisch oder logisch lösen lassen. So einen Brief würde dein Vater ganz gewiss nicht lesen. Seltsam mit deiner Mutter. Ich glaube nicht, dass ich es verkraften gekonnt hätte, von der eigenen Mutter erst 15 Jahre und später erneut alleingelassen zu werden, zumal sie deine jüngere Halbschwester vorzuziehen scheint. Bei meiner sage ich mir immer, sie hat selbst sehr viele Probleme. Also keine Mutwilligkeit, sonder Hilflosigkeit, Überforderung und Unwissen. Dadurch wird aber auch nicht alles gut.

    Vielen Dank für deinen Kommentar. Über die vielen unterschiedlichen Meinungen habe ich mich riesig gefreut.

    Ich habe dich getaggt, mit einem hoffentlich interessanten Thema: Freiheit.

    Einen schönen Abend wünsche ich dir
    LG
    Wieczorama =^.^= Mein Fotoblog

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    1. Die jüngere Schwester ist meine "echte", also von dem selben Vater. Nur die ältere ist die "halbe", von einem anderen Mann. Die kenne ich allerdings gar nicht. Muß auch net sein. ;) Meine Mutter hat an sich nicht wirklich Probleme. Nach dem Tod ihres Mannes ging es ihr an sich sehr gut, weil sie endlich tun und lassen konnte, was sie wollte. Aber ein wenig nachtragend war sie schon immer, auch wenn sie es abstreitet. Und weh tut das allemal...

      Das ist wohl wahr, das die Männer eher fliehen als die Frauen. Ich glaube sowieso, das Frauen generell viel stärker sind und lieber die Probleme aus der Welt schaffen, als ewig zu verdrängen und davon zu laufen. Früher oder später wird man eh eingeholt von all dem Kram, der im Laufe eines Lebens so liegen geblieben ist.

      Vielen Dank auch für Deine Beteiligung! :) Schön zu sehen, das das ankommt, was mir immer mal so im Kopf rumgeht!

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  2. Soda.sche, bei deinem Vater denk ich mir, wird ein Brief nix bringen. Vielleicht solltest du eine Aussprache versuchen, aber auch das wird wohl eher wieder ein Gespräch "vor die Wand" werden.
    Mit deiner Mutter hingegen würd ichs versuchen: schreib ihr alle Gedanken auf, alles was dir im Kopf rumgeht. Bestimmt ist sie zugänglich und kann auch verstehen, was dich so bedrückt.
    Letztendlich musst du es selber wissen, ich kann nur sagen: gräm dich ned immer so, meine liebe Soda.! Mit dir ist schon alles in Ordnung, auch das du so fühlst, das geht wohl jedem "Kind" mal so, denn die wenigsten Menschen haben doch so ein optimales Verhältnis zu ihren Eltern... des bringt die Sache wohl so mit sich, schliesslich sollen wir uns ja von den Eltern "absetzen" und eigene Familien gründen und all das... Und ehe des jetzt ein endlos Kommi wird, höre ich mal auf :-D

    Fühl dich gedrückt, mein Liebes! Knutscha :*

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    1. Ich habe, seit ich den Post geschrieben habe, nicht mehr darüber nachgedacht! ;) Scheint wirklich zu wirken, die Form der "Selbsttherapie", die ich hier übe. Ich werde künftig all das, was mir keine Ruhe läßt, direkt aufschreiben - ob ich das dann mal irgendwann auch an meine Eltern schreibe, weiß ich net. Wohl eher nicht. Ich bin im schriftlichen mehr bewandert als im mündlichen, aber eine Aussprache von Angesicht zu Angesicht schätze ich letztendlich doch mehr.

      Die Zeit wirds zeigen! ;)

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